Interview mit Jane Royston
Jane Royston ist Gast an der diesjährigen Generalversammlung von ACTARES (siehe Seite 12). Sie ist Firmengründerin und Vorstands- bzw. Verwaltungsratsmitglied verschiedener Stiftungen und Unternehmen. Dazu gehört die im Swiss Market Index gelistete Nobel Biocare. Als Dozentin für «entrepreneurship» an der ETH Lausanne, einem Bereich, den sie selbst aus der Taufe gehoben hat, trägt Jane Royston dazu bei, Innovation in der Schweizer Wirtschaft zu fördern. Nachfolgend äussert sie sich zu einigen Themen, die ACTARES seit Längerem unter den Nägeln brennen.
ACTARES: Frau Royston, kann ein Grossunternehmen heute noch Führungspersonen finden, ohne ihnen Entschädigungen in astronomischer Höhe entrichten zu müssen?
Jane Royston: Was Mitglieder eines Verwaltungsrats motiviert, sind primär die Bedeutung eines Unternehmens sowie die Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen einzubringen, sich Gehör zu verschaffen und somit einen Beitrag zur Entwicklung der Firma zu leisten. Auch wenn die Entlöhnung nicht unterbewertet werden soll, muss sie nicht zwangsläufig die Grenzen des Schicklichen überschreiten. Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Entschädigungen und der Qualität der Leistungen eines Verwaltungsratsmitglieds. Bei der Suche nach geeigneten Personen zur Erneuerung der Verwaltungsräte fehlt es in der Schweiz an Vorstellungskraft. Dadurch werden allzu oft dieselben Personen angefragt. Bei den Mitgliedern der Geschäftsleitung liegen die Dinge anders. Das Unternehmen muss die besten Talente anlocken und halten, denn der Unterschied zwischen einem mittelmässigen und einem guten CEO ist spürbar. Es wäre kontraproduktiv, bei dessen Entlöhnung zu knausern, vor allem beim variablen Teil. Dennoch gibt es auf dieser Ebene ebenfalls eindeutige Exzesse.
Stellt der Einsitz von Frauen in einem Verwaltungsrat einen Vorteil dar?
Frauen bringen zweifelsohne wertvolle spezifische Qualitäten mit. Dies entbindet sie jedoch nicht davon, dem Anforderungsprofil zu entsprechen und über die nötigen Kompetenzen zu verfügen. Festzustellen ist, dass Frauen grössere Vorsicht walten lassen und dazu neigen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Zudem verfügen sie über ein sensibleres ethisches Bewusstsein und eine feinere Intuition als ihre männlichen Kollegen. Die Praxis bestätigt die Klischees.
Sind Interventionen von kritischen Aktionärinnen oder Aktionären für ein Unternehmen hilfreich, oder sind sie eher ein Störfaktor?
Das Engagement des Aktionariats wie zum Beispiel durch ACTARES ist von wesentlicher Bedeutung. Es trägt dazu bei, den Führungskräften einer Firma in Erinnerung zu rufen, wer letztlich das Unternehmen besitzt. Entscheidend ist, dass die aktiven Aktionärinnen und Aktionäre ihre Interventionsthemen sorgfältig auswählen und Kompetenz beweisen. Wer sich auf falsche oder unvollständige Tatsachen beruft, um eine Diskussion auszulösen, schadet seiner Glaubwürdigkeit enorm. Ausserdem ist es wichtig, neben simpler Kritik auch Vorschläge und Lösungen einzubringen.
Entschädigungsberichte
Im Jahr 2007 hat Economiesuisse ihren «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» aktualisiert und neu die Veröffentlichung eines Entschädigungsberichts empfohlen. Sämtliche durch ACTARES abgedeckten Unternehmen sind der Empfehlung gefolgt. Leider hat kein Unternehmen die an das britische Modell angelehnte Variante gewählt, die den Entschädigungsbericht separat einer Konsultativabstimmung unterstellt. Vielmehr sind die Entschädigungen Teil des Geschäftsberichts. Diese Lösung ist unbefriedigend, da sie das Thema mit weiteren Fragen der Unternehmenstätigkeit vermengt. Schlimmer noch: Der Geschäftsbericht wird wie bisher gemeinsam mit der Jahresrechnung der Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt. Es ist also unmöglich, seine Missbilligung auszudrücken, ohne auch die Jahresrechnung zurückzuweisen. Dies dürfte insbesondere die institutionellen Anleger abschrecken, die Entschädigungen zu kritisieren.
Initiative «gegen die Abzockerei» eingereicht
Im Februar 2008 wurde die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» mit 118’583 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Diese verlangt unter anderem, dass in börsenkotierten Schweizer Unternehmen jährlich über die Summe aller Vergütungen des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung abgestimmt werden muss und dass Abgangsentschädigungen, Vorauszahlungen sowie Prämien bei Firmenverkäufen verboten werden. Pensionskassen sollen verpflichtet werden, an den Generalversammlungen im Interesse ihrer Versicherten abzustimmen und ihr Stimmverhalten offen zu legen. ACTARES unterstützte die Unterschriftensammlung des umtriebigen Initianten Thomas Minder und ist erfreut, dass die Initiative zu Stande gekommen ist. Bei der laufenden Revision des Aktienrechts wird dieser Erfolg die Verhandlungen der eidgenössischen Räte wohl zu Gunsten der Aktionärsrechte beeinflussen. Bestrebungen, dem Gesetzesentwurf die Zähne zu ziehen, werden weniger Chancen haben.